700 Kilometer hatten die Musiker und Hildebrandt auf sich genommen, um nach Bocholt zu gelangen. Hildebrandt bemängelte nur, dass in Bocholt kein ICE halte wie in Wesel, aber sonst war ihm die Stadt „ein Begriff“. Die hiesige Fußballmannschaft, erläuterte er seinen Künstlerkollegen, die bisher noch nichts von Bocholt gehört hatten, steige immer wieder mal auf, um dann umgehend abzusteigen.
Nachdem kleinere Hindernisse – beispielsweise durch den Kauf eines Notenständers nebenan – beseitigt waren, konnte der Abend dann, wie geplant, um acht Uhr beginnen.
Die circa 750 Plätze des Saales waren alle ausgefüllt, was umso erstaunlicher war, da das Brauhaus von einer fast durchgehenden Eisdecke umgeben war, auf der aber scheinbar keiner ernsthaft zu Fall gekommen war, was auch Hildebrandt nicht entgangen war.
Da mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen sei, dass ein Drittel der Leute den Namen der Cellisten-Gruppe während des Abends vergessen würde, so Hildebrandt, kam es den Abend über zur wiederholten Vorstellung der Philharmonischen Cellisten aus Köln. Dies geschah so spontan, dass man glauben konnte, dem Entertainer sei gerade wieder selbst eingefallen, dass er nicht alleine auf der Bühne stand.
Hildebrandt, dessen Vorzug im politischen Kabarett die konservativen Parteien genießen, spannte einen großen Bogen. Adenauer habe erkannt, dass er als Bundespräsident nur für das Geradeziehen der Schleifen an verschiedenen Kranzabwurfstellen zuständig sei, und sei deshalb Bundeskanzler geblieben. Er habe es ebenso wie gegenwärtige Politiker geschafft, Erwähnung zu finden.
Aus aktuellem Anlass fragte Hildebrandt sich, warum WikiLeaks das Leck eigentlich dort gebohrt hätte, wo man schon wisse, was heraus käme.
Viel mehr hätte ihn da doch interessiert, wie die Fußballweltmeisterschaft nach Katar gekommen sei. Geschickt wechselte er so beispielsweise in den Bereich des Sportes, teilte verbale Ohrfeigen aus und überlies den Musikern immer mal wieder die Bühne. Nicht aber, ohne kritisch aus dem Hintergrund zu beobachten, was so getrieben wird.
Wenn Kabarett auch mittels der Musik möglich ist, so verstanden es die sieben Künstler vortrefflich, es in die Tat umzusetzen. Es entwickelten sich schließlich die wildesten Kompositionen. So sang das Girl from Ipanema am Strand Oh Tannebaum.
Beim „Schlittschuhläufer von Emil Waldteufel“ hörten die Gäste das Gleiten auf dem Eis. Und am Gesichtsausdruck von Dieter Hildebrandt erkannte man, dass er gerade gedanklich selber über das Eis stolperte. Die Cellisten reizten ihre Instrumente aus. Es wurden die Cellos gestrichen. Selbst das Trompetensolo in Verdis Grand March kam gut herüber. Wenn nicht mehr aus den Streichinstrumenten herauszuholen war, dann kamen unterstützend neben Klavier und Keyboard noch allerlei Perkussion-Instrumente zum Einsatz. Triangel, Glöckchen, Claves, Sirene und vieles mehr sollten ein leises Rieseln, ein Vogelgezwitscher wie das eines Buntspechts oder auch den Peruanischen Urwald erfahrbar machen. Manches war allerdings so exotisch, dass selbst die Musikerkollegen sich nicht sicher waren, was diese Geräusche darstellen sollten.
Der Wortspielakrobat Hildebrandt hätte zwar ein bisschen bissiger sein können, aber in der Weihnachtszeit wollte man keinen britischen Humor aufführen, wie Werner Thomas-Mifune, der Leiter der Philharmonischen Cellisten erklärte. Äußerst gelungen waren insbesondere die Zugaben, denn der gebürtige Niederschlesier hatte zu jeder Jahreszeit ein paar Sprüche im Dialekt seiner Kindheit und Jugend auf den Lippen. Ebenso gut war aber auch das Zusammenspiel von Kabarettist und Musikern bei der Aufführung der „kompletten“ Zauberflöte von Mozart. Hildebrandt erzählte die Geschichte und alle zwei Sätze spielten die Musiker das Gesagte nach.
Nach circa einer Minute war die Zauberflöte beendet.
Die Zuschauer und Zuhörer genossen das ihnen von Christa und Klaus Hoffs präsentierte Spektakel und vor allem nach der Pause auch mit ein paar Keksen und Zimtsternen von der Hilfsaktion der Bühne Pepperoni für den Tafel-Laden in Bocholt.
Der starke Regen während der Vorstellung hatte zum Glück das meiste Eis weggespült und sorgte so auch für einen sichereren Ausklang des Abends.