Hartgesottene Originale
Kabarettist Georg Schramm schlüpfte auf der Bühne Pepperoni mühelos in die unterschiedlichsten Häute und lieferte den Zuschauern einen messerscharfen politischen Wetterbericht.
VON MICHAEL STUKOWSKI
BOCHOLT Georg Schramm hat Recht: Deutschland ist in Not und braucht dringend handfeste Typen. Wie das geht, zeigte der Kabarettist auf imposante Weise, als er jetzt auf der Bühne Peperoni in die unterschiedlichsten Häute schlüpfte. Lothar Dombrowski, seine wohl bekannteste Figur, lieferte den Besuchern zunächst einen messerscharfen politischen Wetterbericht. Der fiel so seriös und geschliffen aus, als würde man in einer Politologie-Vorlesung sitzen.
Zwar hätten Angela Merkel und der „von ihr gewählte Bundespräsident“ einträchtig gefordert, dass sich alles dem „Wachstum“ unterordnen müsse. Doch die sinkenden Arbeitslosenzahlen könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Arbeitsmarktreform – ähnlich wie die Gesundheitsreform – gescheitert sei, meinte Dombrowski. Was man nicht zuletzt an der seit Jahren konstanten Zahl der Hartz IV-Empfänger spüren könne. Herzlose Floskeln von Josef Ackermann (Zitat: „Der Arbeitslose ist totes Humankapital ohne Rendite.“) würden da ebenso wenig nützen wie lautstarke Politiker, die nur der eigenen Eitelkeit frönen.
An letzteren ließ Schramm kein gutes Haar. Für den Job als Außenminister wäre Guido Westerwelle kein Darmausgang zu eng, behauptete er bissig. Und schlug vor, jedem jungen Arbeitslosen monatlich 1500 Euro zur Verfügung zu stellen. Denn: „Das Geld muss zurück in die Wirtschaft. Egal, in welche!“ Schramms Redner verblüfften nicht nur durch Wortwitz und gedankliche Schärfe. Auch die fließenden Rollenwechsel saßen perfekt und erhöhten den Sarkasmusfaktor spürbar.
Bei dem Streifzug durch den bundesdeutschen Themendschungel lernte das amüsierte Publikum manches hartgesottene Original kennen. Wie den Oberstleutnant Sanftleben. Köstlich, wie der über die gesellschaftliche Überalterung herzog. Und beklagte, dass mit den vielen zitterigen Greisen das Land kaum noch zu verteidigen sei. Besonders bedrückte ihn die niedrige deutsche „Reproduktionsquote“, die nur 0,6 Söhne im Bundesdurchschnitt betragen würde. „Man muss derzeit in Deutschland zwei Familien zusammenlegen, um einen Sohn zu erzeugen“, stellte der militärische Haudegen fest. Kein Wunder, dass da die „Belastungsgrenze der Bundeswehr“ schon längst erreicht wäre.
Der treuherzige Sozialdemokrat August, der in bestem „Hessisch“ sabbelte, gelang dem Kabarettisten ebenso geschmeidig wie die beißend-ironischen Dialoge im Wartezimmer einer Arztpraxis. Letztere waren eine einzige Abrechnung mit der Gesundheitsreform, die Schramm als „systematische Ausplünderung der Beitragszahler“ entlarvte. Da bieten sich Patienten als Praxiskapital („Herr Doktor, mit welcher Krankheit kann ich Ihnen in diesem Quartal behilflich sein!“) an. Und Chirurgen im Internet wetzen wohlfeil ihre Messer. Das wurde scharfzüngig und flott auf den Punkt gebracht. Wie alles an diesem Abend, womit Schramm souverän die Besucher in Atem hielt.
Gern gesehener Gast
Wegen seiner pointierten politischen Analysen und dem sarkastischen Wortwitz seiner Figuren ist Georg Schramm seit Jahren auf der Bühne Pepperoni ein gern gesehener Gast. Diesmal begeisterte der Kabarettist mit seinem neuen Programm „Thomas Bernhard hätte geschossen“ die Fans.