VON MICHAEL STUKOWSKI
BOCHOLT Er ist ein Freund der „Überlängen“. Ein echter Marathon-Mann des Kabaretts. Wie schon vor zwei Jahren „stellte“ sich Hagen Rether jetzt drei Stunden lang seinen Fans im ausverkauften Stadttheater. Und zog vom Leder, wie man es in der Bühne Pepperoni schätzt: Lässig, musikalisch und mit einem sarkastischen Charme, der keine Tabus kennt.
Bekennender Essener
Nicht einmal, als der bekennende Essener („das Kaff der guten Hoffnungen“) zum Schluss am Klavier den Ruhrpottkollegen Herbert Grönemeyer persiflierte und die Gegenversion „Frauen“ sang, wirkte er geschlaucht. Locker vom Klavierhocker plauderte Rether über die Ungereimtheiten des Alltags.
Und über die Schieflagen der Politiker im Besonderen. So über Sigmar Gabriel. Gestern sei der noch im Aufsichtsrat bei VW gewesen und heute fungiere er als Umweltminister. Der einzige in Europa, der gegen ein Tempolimit sei, betonte Rether. Auch wenn man seine markigen Sprüche über das „Papa-Mobil“ schon von früheren Auftritten kannte: Wie seelenruhig der bissige Romancier seine verbalen Säbel wetzte, wie messerscharf er die alltäglichen Heucheleien auf den Punkt brachte, war vom Feinsten.
Bestes Beispiel: die Steuerflüchtlinge. „Wir sind ein Volk von Steuersündern, und Zumwinkel musste dafür herhalten“, monierte Hagen Rether. Das Idol Michael Schumacher sitze indes in der Schweiz und freue sich „ein Loch in den Arsch.“ Andere hingegen wie Jürgen Möllemann wären noch rechtzeitig vor der Steuerfahndung „abgesprungen“.
Beißend skizzierte Rether die politische Großwetterlage. Die Macher der großen Koalition „kacken auf den Tisch, damit der Boden sauber bleibt“, frotzelte er. Dabei hätten sich die CDU nach 16 Jahren als organisiertes Verbrechen und die SPD nach sieben Jahren als unorganisiertes Verbrechen entpuppt. Folgerichtig seien jetzt beide Parteien an der Regierung. Kaum besser sehe es im Süden der Republik aus. „Stoiberland ist abgebrannt“, reimte der Kabarettist. Jetzt würden zwei Feuerlöscher in Bayern die Politik machen. Und Friedrich Merz suche immer noch seinen Kopf.
Ausgebildeter Pianist
Auch am Vatikan, der „überalterten Männerpension“, und an seinen Mitgliedern wie dem Professor Ratzinger ließ er kein gutes Haar. Besonders dessen Äußerungen zum Islam lagen ihm im Magen. „Alle bemühen sich um Ökumene“, behauptete Hagen Rether. Nur der Ratzinger „lässt einen fahren und verlässt danach einfach den Raum“.
Zum Glück konnte der Zuhörer auch durchatmen. Denn der ausgebildete Pianist spielte zwischendurch mal ein Prelude von Johann Sebastian Bach oder ein Schlaflied. Doch an ein Schlummerchen war bei diesem satirischen Feuerwerk von Hagen Rether auf der Bühne nicht zu denken.