Glück gibt es nach KZ nicht mehr
Michael Emge stand auf Schindlers Liste und erzählt der Musikerin Judith Stapf von seinem Leben
Bocholt. Glück gab es für ihn nicht mehr, sagt Michael Emge. Nicht mehr, seitdem er als Kind im polnischen Ghetto lebte. Nicht mehr, seitdem er mit seinen Eltern und seinem Bruder in den Konzentrationslagern der Nazis unbeschreibliches Leid erfahren musste.
In ihrem Buch „Spiel mir das Lied vom Leben“ erzählt die Journalistin Angela Krumpen Emges Geschichte und berichtet von seiner Begegnung mit Judith Stapf, einer zwölfjährigen Schülerin. Zum Treffen mit dem 83-jährigen Michael Emge, Judith Stapf und Angela Krumpen lud die Bühne Pepperoni am Samstagabend in das Textilwerk ein.
Drohanrufe
Eigentlich heißt Michael Emge nicht Michael Emge. Als er in den 90er-Jahren damit begann, in Schulen seine Geschichte zu erzählten, erhielt er Drohanrufe, wurde als „Judensau“ beschimpft. Die Polizei riet ihm dringend, Namen und Wohnort zu wechseln. Schweigen will Emge trotzdem nicht. Er berichtet von dem unmenschlichen Geschehen im Ghetto, von den Grausamkeiten in den Lagern. Dort, wo es zu schwer für ihn wird, unterstützt Krumpen, liest Passagen aus dem Buch.
Am Anfang von Krumpens Erzählung steht Judith, deren Leidenschaft die Musik ist. Ihr Ehrgeiz ist es, die Filmmusik aus dem preisgekrönten Film „Schindlers Liste“ auf ihrer Geige nachzuspielen. Allerdings erkennt die junge Musikerin, dass sie die Eindringlichkeit der Musik nicht spielen kann, ohne mehr zu wissen. Mehr über den Film, mehr über die Menschen und deren Geschichte. Sie will „jemandem in die Augen schauen, der das Schlimme erlebt hat“. Und so lernt Judith Michael Emge kennen.
Als einziger seiner Familie überlebte er den Holocaust. Mit 15 Jahren wurde Emge bei Kriegsende aus der Gefangenschaft befreit, damals wog er nur noch 27 Kilo. Er war eines der Kinder, die für den Fabrikanten Oskar Schindler arbeiteten, einer der Namen auf „Schindlers Listen“. 1200 Menschen rekrutierte der deutsche Unternehmer als Zwangsarbeiter für seine Fabriken und rettete ihnen damit das Leben.
Zusammen reisen Emge und Judith an die Orte, mit denen Emges bitterste Erinnerungen verknüpft sind. Entsetzt ist er davon, dass dort, wo früher das KZ Plaszow stand, ein Park angelegt wurde. Als eine Art „Vergnügungspark“ bezeichnet Krumpen die Gegend. Erst nach umständlicher Suche findet die Gruppe in einer Ecke des Parks ein Denkmal, das an das KZ erinnert. Und noch etwas finden Michael Emge und Judith. Die Villa des ehemaligen Lagerkommandanten Amon Göth. Dort, unter dem Balkon der Villa, erzählt Emge Judith von dem Schrecklichen. Berichtet von Göth, der im Schlafanzug auf dem Balkon stand und mit einem Gewehr auf die Gefangenen schoss.
Von Anya Knufmann, BBV