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Kleine & Linzenich

Von Michael Stukowski, Bocholter-Borkener-Volksblatt
BOCHOLT Bio Die Neugeborenen hätten heutzutage nichts zu lachen, meint Ferdinand Linzenich. Sie müssten bereits als Fötus die Dauerbeschallung mit Mozarts „Kleiner Nachtmusik“ ertragen und kämen im Beisein einer trommelnden Schamanin auf die Welt. Denn beides solle die Intelligenz fördern. Überhaupt käme es zu Tragödien, wenn sich Kinder nicht an die Pläne der Eltern hielten. Da sei es in seiner Jugend doch besser gewesen, so Linzenich. Tränen lachten die Besucher in der Bühne Pepperoni, als er pointenreich die 70er Jahre wieder aufleben ließ. Jene Zeit, als auf den Feten der kreisende Joint die einzige Lichtquelle war, während aus den Boxen der Deep-Purple-Reißer „Smoke on the water“ dröhnte. Da sei es vorgekommen, dass man bekifft stundenlang den Flokatiteppich streichelte und ihn mit der eigenen Freundin verwechselte.
Mit seinem neuen Programm „Heuchelmörder“ gaben sich die Kabarettisten Kleine & Linzenich so rotzfrech und scharfzüngig, wie man sie seit Jahren in Barlo schätzt. Doch bevor sich das ungleiche Gespann dem eigentlichen Thema näherte, stellte es erst mal die Gewissensfrage: „Was ist der ideale Mann?“ Und schob auch gleich die passende Antwort nach. Der würde morgens neben seiner besseren Hälfte aufwachen und denken: „Hoffentlich wird sie nicht wach, bevor ich mit dem Frühstück fertig bin.“ Man müsse in der Ehe eben viel schlucken können, warf Linzenich seinem Gegenüber Nikolaus Kleine zu. Und räumte sofort ein: „Eine nicht ganz passende Formulierung für die Homo-Ehe.“  In bewährter Manier machten sich die beiden Lästerzungen übereinander lustig. Diesmal ging es dabei recht musikalisch zu. Indes hätte sich Linzenich, der erneut durch seine kraftvolle Präsenz und markige Stimme viele Akzente setzte, den Ausflug ins italienische Opernfach sparen können: Seine „Hymne auf die geplagten Männer“, die an Gioachino Rossinis „Barbier von Sevilla“ angelehnt war, klang mehr schlecht als recht. Und auch Kleines Karnevalseinlage „Humba-Humba-Tätärä“ hätte parodistischer ausfallen können.
Richtig schön drehte das Duo auf, als es sich im zweiten Teil intensiver mit den alltäglichen Heucheleien und Lebenslügen befasste und besonders das Thema „Multikulti in Deutschland“ hervorhob. Die beißend ironischen Anspielungen im italienischen Restaurant hatten genauso viel Biss wie die Typenlehre über „Projektgruppen“. Und bei der Szene „Der vermutete Seitensprung – eine Heuchelei in mehreren Akten“ machten die beiden eine schlüpfrige Stippvisite, die mit Johann Wolfgang von Goethe begann und bei einem Sängerehepaar endete. Die verschiedenen Stilebenen präsentierten sie so virtuos wie die Zugabe, die mit Schlagermusik ins „pralle“ Seniorenheimleben führte.