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Kleine und Linzenich

Von Michael Stukowski, Bocholter-Borkener-Volksblatt
BOCHOLT Der Zuschauer war gewarnt. Wer „Witze über Schnupftabakdosen, Schwule, Kleinwüchsige, Rheinländer, Frauenbeauftragte, Kirche, Ehefrauen, Waldorfschulen und so weiter“ nicht mag, solle lieber ihrem Best-Of-Programm fernbleiben, riet das Duo Kleine & Linzenich. Viel genutzt hat es nicht, denn auch der elfte Auftritt der Lästermäuler in der Bühne Pepperoni war bestens besucht. Kein Wunder, wollten sie ihren Gästen doch die besten Pointen und Sketche aus ihrer 20järhigen Bühnenliaison auftischen.
Und dieses hochkonzentrierte Viagra für vermeintliche Totlach-Junkies hatte es, von kleinen Schwächeperioden abgesehen, wirklich in sich. Wie in einer schrillen Achterbahn wechselten sich die satirischen Schlaglichter ab: Kaum hatten sich die Wortakrobaten wieder einmal gefetzt und aus dem Nähkästchen der eigenen Kindheit geplaudert (Ferdinand Linzenich: „Ich war das li-la-Luder – der Prinz, das war mein jüngster Bruder“), da begann Nikolaus Kleine plötzlich über Allzumenschliches zu sinnieren.
Neurosen seien eben das, was uns vom Tier unterscheide, stellte er fest, um glich darauf politisch auszuholen: „Oder glauben Sie etwa, eine Frau wollte Bundeskanzlerin werden, wenn ihr die Männer auf der Straße nachpfeifen würden!“
Die Nahkampfszenen zwischen Mann und Frau zählten erneut zu ihren besten Zwerchfell-Attacken. Besonders, wenn sie in den Kaufhäusern stattfanden, wo der Göttergatte nur noch als „Mittütenträger“ fungiert.
Brüllendes Gelächter im Saal, als Linzenich die Ehe mit einem Waschmaschinenprogramm („Spätestens im Hauptwaschgang ist kein Platz mehr für uns Männer) verglich und das listige Paarungsverhalten der Weibchen auf seine Weise erklärte. Die Frau sei eben die einzige Beute, die ihrem Jäger auflauern würde, verriet er. Und: Einer ihrer schönsten Vorzüge bestehe darin, dass sie in der Sauna erotische Gedanken haben könne, ohne sich auf den Bauch drehen zu müssen.
Zuweilen musste es dem Zuschauer geradezu ins Ohr stechen, wie derb der Tonfall mancher Wortwitze war. Das wurde pseudopoetisch „das Möschen“ besungen und der Feldherr Cunnilingus erteilte im Lande Vaginalien manche Le(c)ktion. Solche Schlüpfrigkeiten konnten indes nicht darüber hinwegtäuschen, dass Kleine & Linzenich diesmal recht deutlich mit ihrer gesanglichen Abstimmung haderten.
Gut, der mutierte Jubiläumsreißer „Marmor, Stein und Eisen bricht, aber Kleine & Linzenich nicht“ sei ihnen gegönnt. Aber der musikalische Ausflug ins Altenheim hätte mehr Esprit gehabt, wenn die beiden stimmgewaltiger gewesen wären. Dass der Saal trotzdem tobte, als aufgetackelte Schlagermelodien wie „Alzheimertage sind lang“ oder „Siebzig Jahr‘ – falsches Haar“ ertönten, lag mehr an Linzenichs Beckenführung als an der tonalen Pracht. Und Kleine fuchtelt in vielen Szenen immer noch so wild mit den Armen herum, als müsste man ihn auf der Bühne vorm Ertrinken bewahren.
Zum Glück, denn wenn bei dieser Show alles so hinreißend gut wäre wie die selbstgeschrie-benen Pointen, dann müsste die Bocholter Fankurve wohl länger auf das nächste Wiedersehen mit den Blödelbarden warten.