Von Michael Stukowski
Bocholt. Die alten Barhocker sind entsorgt. Und auch die weißen Masken hat „Malediva“ abgelegt. „Ungeschminkt“ – so heißt ebenfalls das aktuelle Programm – kommt das Berliner Duo jetzt um die Ecke. Die kuscheligen Kissen und überhaupt die heimelige Wohnzimmeratmosphäre in der Bühne Pepperoni deuteten dezent an, dass es ans Eingemachte gehen könnte.
Intim wurde es dann wörtlich: Das schwule Paar Tetta Müller und Lo Malinke kam frisch getraut daher und zog mächtig über seine neue Lebensform vom Leder. Man habe nur geheiratet, weil man bei dem ganzen Auf-Tour-Sein keinen anderen Liebespartner finden könnte, frotzelten die beiden. Und lieferten mit ihren „zärtlichen“ Sticheleien zugleich ein Patentrezept für glückliche Ehen. Denn wenn man auf der Bühne ausgiebig die Sau herauslassen kann, hat man den seelischen Schweinestall zu Hause stets gut entmistet. Mal bissig, mal kokett, doch immer liebevoll und auf hohem Kleinkunstniveau unterhielten die Berliner Schnauzen ihr Publikum. Das wiederum hatte sichtlich Spaß an den Nähkästchen-Plaudereien und verbalen Attacken.
Weltbewegendes erfuhr man: Dass Lo etwa Frottee-Unterwäsche trage und das T-Shirt immer in die Unterhose stecke. Oder dass Tetta stundenlang vor dem Spiegel stehen soll, um das eigene Gesicht beim Altern zu beobachten. Zu schaffen machten den beiden auch die lästigen Familienbesuche. Vor allem, wenn diese auf die FKK-Zonen nach Sylt führen, wo man selbst im Supermarkt vor den Nackedeis nicht sicher ist. Lo: „Da müssen Sie aufpassen, dass Sie nicht ins falsche Regal packen!“ Hinreißend waren wieder einmal die Lieder. Und das, je melancholischer und nachdenklicher sie klangen. Von Ängsten und unterdrückten Gefühlen erzählte „Traurig kommt über Nacht“ – eines der akustischen Highlights. Weitaus fulminanter ging es in „Bitte, bitte aufhören!“ zu: Schon zur Mittagsstunde werden da Tetta und Lo von den lauten Paarungsgeräuschen aus der Nachbarwohnung genervt. Florian Ludewig hat zu Los Texten die Musik geschrieben und begleitete zudem am Klavier. Anders als bei früheren Auftritten wurde er diesmal nicht so oft ins Szenenspiel einbezogen. Offenbar hatte er in der schlüpfrigen Familiekomödie keinen Platz. Denn „Malediva“ bot die schnoddrigen Dialoge in bestem Timing und entzündete dabei viele kleine verbale „Wunderkerzen“. Dass sich das schräg-schwule Duo künstlerisch endlich gefunden zu haben scheint, zeigten auch die gelegentlichen Ratlosigkeiten und Textlücken. Mit ihnen ging das Duo so kuschelig um, als wären die Brüche wohl kalkuliert in den Programmablauf eingebaut worden. Es war ein Abend, an denen die Besucher gar nicht genug Zugaben bekommen konnten. Unter ihnen auch Brigitte Wolter. Der Fan aus Gönnersdorf ist den Künstlern nachgereist und hat „Ungeschminkt“ bereits mehr als 30 Mal gesehen. Den „Malediva“-Auftritt in Bocholt fand Wolter „äußerst spannend“.