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Martin Buchholz

Bocholt-Barlo – Kabarettist Martin Buchholz hatte eine ganz eigene Begrüßung für das Publikum im Gasthof Wissing-Flinzenberg parat. „Wie fies ich sein kann, werden sie noch sehen: Aber es war ja ihre eigene Entscheidung, heute herzukommen.“ Bitterböse, intelligent und unterhalb jeder politischen Gürtellinie bot Buchholz bei der Bühne Pepperoni einem begeisterten Publikum Kabarett jenseits von Schenkelklatscher-Humor und Klamauk.

Der bekennende Pazifist und (nach eigener Aussage) einschlägig bekannte linke Kabarettist zeigte sich als Meister der Wortspielerei. Wenige Themen ließ Buchholz, der auch Mitglied des Berliner Wühlmäuse ist, in seinem Programm „Geh! Denken!“ unausgesprochen. So begeisterte er sich für die geschmückten Städte im letzten Wahlkampf und meinte, es sei ein schöner Anblick gewesen: An jeder Laterne hätte ein Politiker gehangen.
Auch treffe er so manchen SPD-Politiker in seiner Stammkneipe in Berlin. „Ist ja klar, wenn man schon bei der Wahl keine Prozente bekommen hat, muss man sich wenigstens um die Promille kümmern“, spottete Buchholz. „Alkohol ist schließlich auch keine Antwort, aber man vergisst die Frage“, stellte er fest. Seit der Bundestagswahl sei ihm sowieso klar: Es gibt ein Leben nach dem Hirntod.

Viel Anlass für Häme boten auch die FDP und ihr Vorsitzender Guido Westerwelle. „Da wird ein Totenschädel onduliert und uns als Westerwelle präsentiert“, dichtete er, um dann die Moral der Liberalen an den Pranger zu stellen. „Die FDP kann sich so viel Moral leisten: Die haben sogar eine Doppelmoral“, meinte Buchholz und sagte: „Zu einem Wissen gehört ein gewisses Gewissen. Aber meistens will man davon ja nichts wissen.“

Die Würde des Menschen sei im Grundgesetz verankert. Das heiße faktisch: Die Würde des Menschen sei auf Grund gesetzt. Als Lösung für die Probleme, die die Hartz-IV-Gesetze verursachen, hatte Buchholz einen makaberen Vorschlag. Schuld an der Massenarbeitslosigkeit seien ohnehin die arbeitslosen Massen. Die könne man auch einfach in den Suizid treiben, schlug er vor. Erst neulich hätte sich ein Arbeitsloser mit seinem Gürtel am Fensterkreuz erhängt. Das gebe dem Ausdruck „Da muss man den Gürtel enger schnallen“ eine ganz neue Bedeutung.

Als ehemaliger West-Berliner gebe es in seiner Brust sowieso nicht nur eine, sondern zwei Seelen: eine Ost- und eine West-Seele. Die Ost-Seele wohne natürlich nur zur Untermiete. Bei der Maueröffnung habe es für die neuen Bundesbürger ein Begrüßungsgeld gegeben, heutzutage dächten viele Wessis, aber auch Ossis an ein Abschiedsgeld. Das einzige, was Ost- und Westdeutsche gemeinsam hätten, sei der gemeinsame Sprung in der Schüssel: Das sei dann der germanischer Ursprung.

Eine besonders originelle Definition fand Buchholz für die Ursache der Bankenkrise. So hätten Nikkei, Dax und Dow Jones es miteinander ungeschützt unter einer Decke getrieben. Herausgekommen sei dabei AIDS (Amerikanisches Industrie Desaster Syndrom).

VON ANYA KNUFMANN